600 JAHRE KONSTANZER KONZIL
2014 – 2018
5 Jahre - 5 Köpfe - 5 Themen

Überschrieben mit «Europa zu Gast“ beschäftigen sich die Feierlichkeiten in den Jubiläumsjahren zwischen 2014 und 2018 mit faszinierenden Persönlichkeiten und greifen spannende Thematiken des Kongresses auf. Die fünf Jahre werden symbolisiert durch fünf Köpfe, die für fünf heute wie damals aktuelle Themen stehen. Kulturelle, wissenschaftliche und erlebnisorientierte Veranstaltungen sowie von Bürgern initiierte Projekte erinnern an das Konstanzer Konzil. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln schaffen Sie einen dauerhaften Bezug vom historischen Ereignis zu Gegenwart und Zukunft.


2015 - Jan Hus - Jahr der Gerechtigkeit

Am 06. Juli 1415 wurde der böhmische Theologe Jan Hus in Konstanz als Ketzer verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 600 Jahre später erinnert das zweite Jahr des Konziljubiläums an den Magister aus Prag sowie seinen Weggefährten, Hieronymus von Prag, den wenig später das gleiche Schicksal in Konstanz ereilte. Die Konzilstadt lädt mit einem breitgefächerten Programm und vielfältigen Formaten 2015 zum „Jahr der Gerechtigkeit“ zur kulturellen, wissenschaftlichen und religiösen Auseinandersetzung an den Bodensee ein.

Das Konstanzer Konzil und sein Jubiläum

Vor 600 Jahren trafen sich in Konstanz kirchliche und weltliche Würdenträger zu einem der größten Kongresse, den die westliche Welt bis dahin erlebt hatte. Insgesamt 70.000 Besucher weilten laut dem Konstanzer Konzil-Chronisten Ulrich Richental während der vier Jahre des Konstanzer Konzils am Bodensee. Hohe Vertreter aus Klerus und Adel kamen um sich kirchlichen und politischen Fragestellungen zu widmen. Mit zwei Reichstagen, zahlreichen Belehnungen und anderen politischen Akten prägte es die europäische Geschichte nachhaltig. Der größte Kongress des Mittelalters war zugleich Treffpunkt für Universitäten, Büchermarkt und Kopierzentrum für neue oder in Vergessenheit geratene Schriften. Am Vorabend der Renaissance kam es zu einem regen Austausch von Glauben und Meinungen, Wissen und Waren, Kunst und Kultur. Nachdem das erste Jubiläumsjahr König Sigismund als Jahr der Europäischen Begegnung gewidmet war, erinnert das zweite Jahr als Jahr der Gerechtigkeit an das Schicksal von Jan Hus, und Hieronymus von Prag. Auseinandersetzung mit Themen wie Toleranz, Umgang mit Andersgläubigen sowie Werten und ihrem Wandel sollen über das Jubiläum hinaus anregen.

 

Auswahl aus dem Jubiläumsprogramm 2015

AUSSTELLUNGEN

23.5. - 30.8.2015 (in Kreuzlingen nur bis 2.8.2015)
Meeting Point
Kunstprojekt des Kunstverein Konstanz Konstanz und Kreuzlingen

5.6. - 31.7.2015
Jan Hus in der tschechischen zeitgenössischenKunst
Hus-Haus Konstanz

3.7. - 26.7.2915
Jiri Anderle: Sakrale Grafiken
Rathausgalerie und Lutherkirche Konstanz

ERINNERN

28.6. - 12.7.2015
Taborer Wochen
tschechisch-deutsches Kulturprogramm an verschiedenen Orten der Stadt
Film, Führungen, Ausstellungen, Konzerte

3.7.2015 I 18 Uhr
Feierlicher Gedenkakt für Jan Hus
Konzilgebäude

6.7.2015 I 19 Uhr
Internationaler ökumenischer Gedenkgottesdienst
zum Tod von Jan Hus

MUSIK

9.5.2015 I 20 Uhr
„Verbrennt das Feuer!“
Ein Jan Hus Oratorium von Franciesco Obieta über Texte von Ivo Ledergerber
Uraufführung des Vorarlberger Landeskonservatoriumsim Rahmen des Bodenseefestivals
Münster Konstanz

1. - 4.10.2015
Europäische Avantgarde um 1400
Festival mit Musik aus Konzilzeiten in Kooperation mit SWR2

1.10.2015: Gothic Voices, 20 Uhr, Münster Konstanz
2.10.2015: Leones, 20 Uhr, Dreifaltigkeitskirche Konstanz
3.10.2015: La Main Harmonique, 20 Uhr, Münster Konstanz
4.10.2015: Capella de la torre, 18 Uhr, Konzil Konstanz

14.11.2015 I 20 Uhr und 15.11.2015 I 17 Uhr
„Jan Hus“. Oratorium von Carl Loewe
Kooperation von Sinfonischer Chor Konstanz, Südwestdeutsche Philharmonie und Theater Konstanz sowie 5 Vokalsolisten Leitung: Wolfgang Mettler, Choreographie: Ana Mondini
Kirche St. Stephan Konstanz

Interview mit Ruth Bader
Geschäftsführerin Konzilstadt Konstanz.


Wie war das erste Jahr des Konzil Jubiläum 2014-2017?

2014, das erste Jahr des Konziljubiläums war ein sehr großer Erfolg für Konstanz und alle Partner. Mit unseren Veranstaltungen haben wir viele Menschen erreicht: Die Große Landesausstellung lockte mehr als 130.000 Menschen ins Konzilgebäude, alle anderen Museen konnten mit ihren Ausstellungen ihre Besucherzahlen nahezu verdoppeln, die Konzilfestspiele auf dem Münsterplatz regten nicht nur das überregionale Feuilleton zu Diskussionen an, zu den Literatur- und Musikfestivals reisten Menschen aus allen Himmelsrichtungen an, bei der grenzüberschreitenden Sigismundtafel aßen Schweizer und Deutsche gemeinsam an einer über 400m langen Tafel. Konstanzer und Gäste von überall her haben sich neugierig auf die Geschichten des Konstanzer Konzils eingelassen. Wir haben gemeinsam gefeiert– aber auch gemeinsam darüber nachgedacht, warum es sinnvoll ist, sich mit den Ereignissen vor 600 Jahren auseinander zu setzen.

Vier Jahre Jubiläum. Ein langer Zeitraum, um die Spannung aufrecht zu erhalten? Gerade auch, wenn die große Landesausstellung, eines der top Highlights im ersten Jahr stattfand?

Das Konstanzer Konzil 1414 bis 1418 dauerte einfach viel zu lange, als dass wir alle Geschichten in ein einziges Jubiläumsjahr packen könnten! Daher mache ich mir auch keine Sorge um die Spannung. Jedes Jubiläumsjahr 2014 bis 2018 ist einem historischen Kopf und einem zeitlos aktuellen Thema gewidmet, so dass sich immer neue Veranstaltungen und Schwerpunkt anbieten. Das Auftaktjahr 2014 war König Sigismund als Jahr der europäischen Begegnungen gewidmet – 2015 ist das „Jahr der Gerechtigkeit“, in dem wir uns vor allem mit Jan Hus und seinem Schicksal auseinandersetzen. Gemeinsam mit zahlreichen tschechischen Partnern erinnern wir an den böhmischen Theologen, der in Konstanz vor 600 Jahren als Ketzer verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Der Aspekt der Versöhnung spielt heuer eine wichtige Rolle. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Schauplätze des Konzils: Während die Landesausstellung im vergangenen Jahr Exponate aus aller Welt gezeigt hat, rücken in diesem Jahr die Original-Orte des Konzils in den Fokus. Häuser, in denen die Teilnehmer wohnten, Festmahle veranstalteten oder vorab in den Nationes tagten, das Münster als Versammlungsstätte, das Konzilgebäude als Konklave, die Türme, in denen Raubritter eingesperrt wurden – in der Altstadt von Konstanz gibt es noch zahlreiche Schauplätze, die ganz unterschiedlich entdeckt werden können.

Warum nach Konstanz kommen, um das Konzil zu erspüren / erfahren? Was geht heute noch vom Geist des Konzils aus?

Was war denn das Besondere am Konstanzer Konzil? Es brachte vor 600 Jahren Menschen aus ganz Europa zusammen, die am Bodensee versuchten, ihre Probleme im Dialog zu lösen statt mit Waffengewalt. Von der Überzeugung, erst auseinander zu gehen, wenn ein Kompromiss zwischen allen Beteiligten gefunden ist, können wir uns heute noch inspirieren lassen. Wenn wir uns begegnen, ins Gespräch kommen, dann entstehen nicht selten neue Ideen und Impulse. Das ist die Idee des Konziljubiläums, aus dieser Perspektive macht es Sinn, sich mit längst vergangenen Ereignissen intensiv auseinander zu setzen. Außerdem war Konstanz vor 600 Jahren ein Art kultureller Katalysator, der die Musik, die Literatur, die Kunst stark beeinflusst hat. Anlass, 600 Jahre später solche Begegnungen erneut zu initiieren.

Was erwartet die Besucher im Jahr 2015, 2016 und 2017?

Einer der Höhepunkt 2015 ist zweifellos unser Gedenkwochenende für Jan Hus vom 03. bis 06. Juli 2015: Gedenkstunde, ökumenischer Gottesdienst, Ausstellungen, Lesungen, Konzerte – an diesem Wochenende erwartete die Besucher ein dichtes tschechisch-deutsches Kulturprogramm. Für das zweite Jubiläumsjahr hat die Tourist-Information Konstanz eine weitere inszenierte Stadtführung entwickelt: Gemeinsam mit Hieronymus von Prag lernen die Gäste dessen Freund und Gefährten Jan Hus kennen. Von Ende Mai bis Ende August 2015 lädt der Kunstverein Konstanz Künstler ein, sich aus heutiger Perspektive mit dem Konstanzer Konzil auseinander zu setzen. Die Kunstwerke werden unter dem Titel „Meeting Point“ an den Schauplätzen des Konzils gezeigt. Anfang Oktober erklingt in Konstanz zum zweiten Mal das Musikfestival „Europäische Avantgarde um 1400“. Diesmal spielen die hochkarätigen europäischen Ensembles an unterschiedlichen Konzilsorten. Am 05. November diesen Jahres schließlich wird zum ersten Mal der „Konstanzer Konzilspreis – Preis für Europäische Begegnungen und Dialog“ im Rahmen des Europa-Konzils verliehen. 2016 rücken das lebendige Mittelalter und die Imperia in den Fokus des Jubiläums. Dann geht es vor allem um erlebnisorientierte Angebote, wie zum Beispiel die Konzilfestspiele auf dem Münsterplatz. 2017 im Jahr der Religionen steht der interreligiöse Diskurs im Mittelpunkt, wir beschäftigen uns mit dem Miteinander von Islam, Judentum und den christlichen Konfessionen. 2018 rundet Oswald von Wolkenstein mit dem Jahr der Kultur das Konziljubiläum ab. „Minne meets Poetry Slam“ schlägt den Bogen über sechs Jahrhunderte.

Was kommt nach dem Konzil? Was bleibt von dieser Großveranstaltung? Nur wenige Städte schaffen es, Großanlässe, wie eine Kulturhauptstadt, langfristig zu nutzen?

Bereits nach dem ersten Jahr merken wir zum einen, dass die Zusammenarbeit zwischen vielen Institutionen besser geworden ist: Das gemeinsame Thema „Konstanzer Konzil“ hat uns enger zusammengebracht. Denn das Konziljubiläum wird von einem großen Netzwerk getragen aus Kultur, Bildung, Wirtschaft, Kirchen und Gesellschaft in Konstanz, der Bodenseeregion und darüber hinaus. Dieses Netzwerk wird bleiben und Kooperationen nach dem Jubiläum viel einfacher machen. Und wir haben viele neue Partner in Europa gewonnen: Gemeinsam können wir Europa auch über das Konziljubiläum hinaus mit Leben füllen. Die Geschichten vom Konstanzer Konzil sind bereits im vergangenen Jahr auf ein immenses Medieninteresse gestoßen, Konstanz wird als Konzilstadt wahrgenommen, als Ort mit großer Geschichte. Das ist für viele Gäste ein Anlass, in den kommenden Jahren an den Bodensee zu reisen – und selbstverständlich spielt der Tourismus für Konstanz eine immer wichtigere Rolle. Außerdem ist Konstanz Standort für zwei ausgezeichnete Hochschulen, die mit ihren Projekten zum Konziljubiläum Konstanz als Stadt des Wissens nachhaltig präsentieren.

Das Gespräch führte Kai Geiger