München
The Art in Music

Künstlerische Freiheit und gestalterischer Rahmen, Form und Funktion, äußere Gestalt und innerer Ausdruck, Ästhetik und Entertainment – diese mal widerstreitenden, mal sich ergänzenden Gegensatzpaare vereinen die Genres des Jazz und der bildenden Kunst wie keine anderen. Es ist also kein Zufall, dass die Kunst nach der Musik zur zweiten großen Leidenschaft von ACT-Chef Siggi Loch wurde.

Was die Verbindung von beidem angeht, waren für Loch wie für so viele die LP-Covers von Blue Note eine frühe Inspiration, besonders weil Fotografie sein frühestes Hobby war. »Noch heute spricht jeder vom Blue-Note-Stil, meint aber genau genommen nur etwa zehn Jahre der Zusammenarbeit des Fotographen Francis Wolff mit dem Typographen Reid Miles«. In dieser Zeit Mitte der Sechziger fällt ein weiteres Schlüsselerlebnis Lochs: Als Labelmanger der »twen«-LP-Reihe, noch für Phillips, lernt er Willy Fleckhaus kennen, den Mitbegründer und Art Director der noch heute legendären Zeitschrift. »Er wagte für die Cover eine radikale Kombination von Musik und bildender Kunst, damals vor allem Op Art. Diese Zusammenarbeit hat mich geprägt.«

Als es dann 1992 mit ACT ans eigene Label ging, kam logischerweise der Wunsch auf, eine ähnlich markante und kreative optische Visitenkarte als »Corporate Identity« zu erschaffen. Nicht ohne Grund lautet der ACT-Slogan seit jeher: The Art in Music.

www.actmusic.com

Oskar Schlemmer, Fünf Männer im Raum, 1928, Öl auf Leinwand, 150,5 x 91 cm Staatsgalerie Stuttgart, Leihgabe aus Privatbesitz

Wir sprachen mit Siggi Loch

Wie wird man Musiker bei ACT?
Siggi Loch: Musiker brauchen wir für die einzelnen Produktionen und sie werden von Fall zu Fall engagiert. Was ich suche sind außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeiten, die mehr sind als nur gute Handwerker. Die zu finden, bevor sie bereits zu Stars gereift sind und es von allen Dächern gepfiffen wird, das ist die eigentliche Aufgabe und ständige Herausforderung. Um einen ACT im Frühstadium zu erkennen, muss ich viele Konzerte mit noch ungekannten Talenten besuchen, wie zum Beispiel 1994 die Jazz Baltica, wo ich Nils Landgren für mich und ACT entdeckt habe. Oder auch ein Konzert unserer Künstlerin Youn Sun Nah in Paris, wo ich den jungen Akkordeonisten Vincent Peirani erstmals gehört habe. Ich habe aber auch stets ein offenes Ohr für die Empfehlungen der Künstler mit denen ich bereits arbeite, wie zum Bespiel Nils Landgren, über den ich Esbjörn Svensson und weitere schwedische Künstler kennengelernt habe. Entscheidend ist aber immer, dass ich die möglichen ACT Anwärter im Konzert vor einem Publikum erlebt habe, um beurteilen zu können, ob jemand nicht nur sein Handwerk beherrscht, sondern auch die Herzen der Zuhörer erwärmen kann. Der Funke muss überspringen. Wer das bei 20 Zuhörern schafft, dem gelingt es vielleicht auch bei 1000. Darüber hinaus ist viel Bauchgefühl dabei. Unsere generelle Philosophie ist
es ja, Jazz in seiner ganzen Vielfalt und auch in Verbindung mit anderen Genres zu zeigen. Aber wir müssen immer auch das Gefühl haben, das etwas innerhalb unserer musikalischen Ästhetik schlüssig ist, sonst machen wir es nicht.

Wie wird man Künstler auf einem ACT CD Cover?
Siggi Loch: Ist zuerst die Musik, die Komposition da, für die ein Bild gesucht wird, oder inspiriert ein Bild durchaus den Musiker zu einer Komposition über das Bild? The Music comes first! Erst danach mache ich mir Gedanken über die Vermarktung und die beginnt mit dem Cover. Aber jede einzelne ACT Veröffentlichung soll auch in mein Gesamtkonzept passen, denn für mich ist ACT ein Gesamtkunstwerk und ich verfolge die Idee, herausragende Musikproduktionen mit ebenso relevanter zeitgenössischer Kunst zu kombinieren. Die Leidenschaft für Musik ist zu meinem Beruf geworden. Daneben ist die bildende Kunst mein Hobby. Diese beiden ästhetischen Kommunikationsebenen zu verbinden, ist mir immer wieder eine besondere Freude und deswegen mache ich auch seit über 10 Jahren fast alle Covergestaltungen selbst. Ausnahmen sind Lizenzübernahmen wie z.B. die Veröffentlichungen von Youn Sun Nah. Bei der Auswahl der Motive lasse ich mich von meinem Instinkt leiten. Die Bilder stammen sehr oft aus meiner eigenen Sammlung. Es gibt sonst keinen begründbaren Zusammenhang zwischen den Bildmotiven und der Musik, außer, dass beide Künstler aus der Jetztzeit stammen und den jeweiligen Zeitgeist repräsentieren sollen. Inzwischen kenne ich auch viele bildende Künstler persönlich und bringe sie gelegentlich auch mit meinen ACTs zusammen. Daraus ergeben sich auch immer wieder echte Kooperationen zwischen
den beiden Welten, das ist aber eher die Ausnahme. Allerdings möchte ich auch nicht verschweigen, dass wir auch Künstler haben, die sich dieser Konzeption verweigern und dann versuche ich auch nicht, ihnen ein Cover aufzuzwingen, mit dem sie sich nicht identifizieren können. Dann kommt es auch bei ACT zu den üblichen Covergestaltungen mit Künstlerfotos, denn ich will auch keinen guten ACT einem Prinzip opfern.

Oskar Schlemmer, Fünf Männer im Raum, 1928, Öl auf Leinwand, 150,5 x 91 cm Staatsgalerie Stuttgart, Leihgabe aus Privatbesitz

Wie sind die Künstler in diesen Prozess eingebunden?
Siggi Loch: Kommt es zu einer Begegnung, einem Austausch zwischen Bildenden Künstler und Musiker, wie z.B. zwischen Daniel Richter und Michael Wollny für »Hexentanz«oder Ai Weiwei mit Lars Danielsson & Wolfgang Haffner? Wie gesagt, zwischen einigen Musikern und den Künstlern entwickelt sich gelegentlich eine persönliche Beziehung, wie im Falle von Nguyên Lê und Nils Landgren mit dem leider verstorbenen Martin Noël.

Zuerst war die Kunst und dann die Musik! Zwei großen Leidenschaften die Sie leiten und dafür Leben lassen. Gab oder gibt es die Idee für eine Siggi Loch Symphonie / Ausstellungsprojekt »Musiker einer Ausstellung« wo Sie Musik, Ihre Musiker und Kunst, Ihre Künstler gegenüber und in einen Kontext zueinander stellen?
Siggi Loch: Das passiert durchaus regelmäßig. Es begann 2007 in der Bremer Weserburg mit „Paint it BLUE“ , einer Ausstellung mit Werken aus der „ACT Art Collection“, die mit Konzerten von ACT Künstlern begleitet wurde. Hier wurde auch die „Aktion“ von 1996 wiederholt, in der der Maler Rolf Rose den Musiker Nils Landgren blau anmalte. Dann gab es 2008 im Haus der Fotografie in Hamburg eine große Ausstellung meiner eigenen Fotos mit einem Steinway Flügel als Mittelpunkt, auf dem ACT Künstler konzertierten. Und auch in meiner privaten Galerie in Berlin
veranstalte ich regelmäßig Hauskonzerte unter dem ACT Motto „The Art in Music“.

Oskar Schlemmer, Fünf Männer im Raum, 1928, Öl auf Leinwand, 150,5 x 91 cm Staatsgalerie Stuttgart, Leihgabe aus Privatbesitz

Sie bringen immer wieder kreative Köpfe, Musiker und Komponisten zusammen. So auch für das jüngst erschienene »Duo Art Creating Magic« Album (CD). Wie entstand diese Idee und deren Reiz? Wie haben die Künstler, die zum Teil erstmalig im oder als Duo zusammen gespielt haben, reagiert, sich eingebracht und eine musikalisches Resultat hervorgebracht?
Siggi Loch: Mit dem Erfolg von e.s.t – Esbjörn Svensson Trio stellte sich ein Boom / ein Revival der Klaviertrios im Jazz ein, besonders in Europa. Man kann schon sagen, dass ACT hier ein maßgeblicher Impulsgeber war. Und in den letzten Jahren haben wir verstärkt beobachtet, wie sich eine neue, kammermusikalische, fast schon klassische Innigkeit im europäischen Jazz entwickelt hat, die sich zum einen aus einer gewissen Reduktion und zum anderen aus der Freiheit und Unmittelbarkeit der Kommunikation zweier Musiker speist. Und wenn zwei große Meister aufeinandertreffen, können auch große, magische Momente entstehen, für die man keine weiteren Musiker braucht. Das Duo verkörpert die Essenz dessen, was Jazz ausmacht: Kommunikation. Einige Künstler sind schon lange im Duo unterwegs, etwa, euphorisch gefeiert, Saxofonist Heinz Sauer und Pianist Michael Wollny, oder, gerade besonders in Frankreich DER Jazz-Act der Stunde, Akkordeonist Vincent Peirani und Saxofonist Emile Parisién. Andere Konstellationen kamen tatsächlich auf mein Anregen hin zustande, etwa das der belgischen Gitarrenlegende Philip Catherine und Bassist Martin Wind. Die beiden verstanden sich im Studio und auf Tour so blendend, dass daraus eine feste Working Band entstanden ist.

Oskar Schlemmer, Fünf Männer im Raum, 1928, Öl auf Leinwand, 150,5 x 91 cm Staatsgalerie Stuttgart, Leihgabe aus Privatbesitz

Gab es auch ein Scheitern in den Duos?
Siggi Loch: Eigentlich nicht. Die Alben, die erschienen sind, haben wir veröffentlicht, weil es musikalisch funktioniert und harmoniert hat. Sicher gibt es Besetzungen, die zukünftig weniger intensiv touren werden, als andere, aber aus unserer Sicht sind sämtliche aktuelle Duo Art Produktionen rund und schlüssig.

Ein weiteres von Ihnen imitiertes und angestoßenes Projekt ist Jazz at the Philharmonic. >>Wie eine Hure in der Kirche<< titelte Spiegel Kultur zu Beginn der Reihe in der Berliner Philharmonie. Wie kam es zu dieser Kooperation und was sind die Pläne?
Siggi Loch: Die Initialzündung: im Jahr 2012 versteigerte die Stiftung Berliner Philharmoniker den Steinway D Flügel, der 1992 speziell für Alfred Brendel als „Artist in Residenz“ der Berliner Philharmoniker angeschafft wurde und auf dem er danach seine Berliner Konzerte spielte, jetzt aber seine Konzerttätigkeit beendete. Als regelmäßige Konzertbesucher und Förderer der Berliner Philharmonie waren

< Zurück