jazzahead! 2024 Götz Bühler und Sybille Kornitschky © M3B GmbH, Kerstin Rolfes.

Wir sprachen mit Sybille Kornitschky und Götz Bühler

Seit diesem Jahr leitet Götz Bühler als Artistic Adviser mit Ihnen die jazzahead! Veränderungen bringen Neuerungen. Wie tickt das Team Kornitschky & Bühler und wo ist eine neue Handschrift bei der diesjährigen jazzahead! erkennbar?

Sybille Kornitschky: Es ist eine Evolution – wir tragen Jazz nicht nur im Namen, sondern leben auch den Geist dieser Musik, die ständig in Veränderung ist, sich weiterentwickelt, und dabei auf eine lange Tradition zurückblicken kann. In den 18 Jahren, die es die jazzahead! jetzt schon gibt, haben wir viele Erfahrungen gesammelt, die auch dazu führen, dass sich die Dinge immer wieder und immer weiter ändern. Natürlich gibt es ganz offensichtliche Neuerung, die sicher auch etwas mit dem neuen „Artistic Advisor“ an meiner Seite zu tun haben: innerhalb der „Overseas Showcases“ gibt es ab diesem Jahr immer ein Thema. Für die nächsten drei Jahre ist es „Jazz aus Afrika“ und wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist hier drei – oder vielleicht sogar vier – sehr interessante Talente aus unterschiedlichen Ländern des afrikanischen Kontinents für die jazzahead! nach Bremen zu holen. Die Trompeterin Christine Kamau aus Kenia, der Bassist und Sänger Alune Wade aus dem Senegal und die Afro4Band aus Nigeria. Zudem können wir unser kosmopolitisches Partnerland die Niederlande schon bei der Eröffnungsfeier am Donnerstag mit diesem Thema verknüpfen: der südafrikanische Gitarrist und Bandleader Vuma Levin, der gerade seinen Doktor in Musik in den Niederlanden macht, tritt dort mit seiner Gruppe auf – allesamt Musiker, die er beim Studium in Amsterdam kennengelernt hat.

jazzahead! 2024 Sybille Kornitschky © M3B GmbH, Kerstin Rolfes.

Ich empfinde die Kulturbranche gerade in einer sehr fragilen Situation. Auswirkungen der Corona Krise, steigende Inflation und die politische Unsicherheit machen sich immer mehr, auch nach dem Wegfall der Förderprogramme, bemerkbar und der Kultur das Leben schwer. Wie nehmen Sie die Situation wahr und wie verhält sich die allgemeine Zurückhaltung auf die jazzahead!?

Sybille Kornitschky: Wie gut wir auf der künstlerischen Seite mit der jazzahead! dastehen, zeigt schon die ungebrochen große Anzahl an Bewerbungen, die uns auch dieses Jahr für die Showcases erreicht hat. Die fünf international besetzten Jurys, die unser neuer „Artistic Advisor“ Götz Bühler zusammengestellt hat, hatten die nicht ganz leichte Aufgabe aus über 800 Bewerbungen eben nur 40 Bands auszuwählen. Was das Finanzielle angeht: dass wir in einer Zeit leben, in der Haushalte noch im Folgejahr nicht beschlossen sind, macht auch unsere Förder-Situation sicherlich nicht einfacher. Aber gerade jetzt, wo wir von Seiten der Politik für Unterstützung mehr denn je kämpfen müssen, kommt es uns sehr gelegen, dass sich die Bremer Bürger selbst aktiv in unserem Förderverein jazzahead! Festival engagieren. Den Menschen in der Stadt ist schon klar, wie bedeutsam und wichtig die jazzahead! nicht nur für Bremen ist.

jazzahead! 2024 Götz Bühler © M3B GmbH, Kerstin Rolfes.

In den letzten Jahren klappen immer neue Themen in der Kulturbranche auf, die die Kultur- und Musikbranche beschäftigen. Wie bündelt man diese, ohne den Überblick zu verlieren. Wie gehen Sie damit um, wie entscheiden Sie und auf welche Themen setzten sie zukünftig Ihren Fokus?

Götz Bühler: Wir müssen nicht nur mit der Zeit gehen was die Musik angeht, sondern natürlich auch, was die großen Themen unserer Zeit angeht. Deshalb sind wir Teil des Projekts „Better Live“, das sich für nachhaltigeres Touren in Europa einsetzt. Darüber hinaus arbeiten wir an einem größeren Tool, dass hier auch weit über die Jazzwelt hinaus sicherstellen wird, dass sich die Branche untereinander besser koordiniert, vor allem eben was Touren durch Europa angeht. Natürlich beschäftigen uns auch Themen wie die Nachwuchsförderung: hier bieten wir unter anderem ein Kinderkonzert mit dem Timbalooloo-Gründer Oran Etkin an. Inklusion ist ein weiteres wichtiges Thema, das mit einem „FishBowl“-Gespräch und dem Konzert einer inklusiven Band in der CLUBNIGHT einen guten Rahmen findet. Und natürlich beschäftigen uns Themen wie Parität und Diversität ganz besonders. Für viele gesellschaftliche Entwicklungen war die Jazzwelt ein gutes Vorbild – man denke nur daran, dass das sehr populäre Benny Goodman Quartet mit Lionel Hampton, Teddy Wilson und Gene Krupa schon Ende der 30er Jahre, also lange vor der Aufhebung der so genannten „Rassentrennung“, „integrated“ war.

Diversität ist ein Thema davon, das eine immer wichtigere Rolle in der Kultur spielt. Wie spiegelt sich Diversität im Programm der jazzahead!?

Götz Bühler: Allein wenn man sich die Besetzung unserer Jurys für die 40 Showcases ansieht, wird man leicht erkennen, dass hier erstmals mehr Frauen als Männer die Entscheidungen getroffen haben. Das spiegelt sich natürlich auch in unserem Programm wider. Zudem haben wir nicht nur durch unser Thema „Jazz aus Afrika“, sondern allein aufgrund der Natur des Jazz, so viele „People of Color“ im Programm wie wohl kaum eine andere Veranstaltung hierzulande. Jazz braucht eben Diversität. Es ist gerade die Vielfalt der Menschen und dadurch auch der musikalischen Einflüsse, die Jazz auch über 100 Jahre nach seinem Entstehen, nicht nur immer wieder spannend und zeitgemäß machen, sondern eben zu einer lebendigen Musik. Das können nicht viele Traditionsmusiken von sich behaupten.

Das diesjährige Gastland sind die Niederlande. Auf wen und was dürfen wir uns freuen?

Götz Bühler: Die Niederlande sind das New York Europas – ein Schmelztiegel, der einerseits von den Einflüssen der Menschen aus den ehemaligen niederländischen Kolonien, aber auch durch die vielen ausländischen Studenten an den hochkarätigen Konservatorien des Landes immer wieder profitiert. So ist auch das Programm, das unser diesjähriges Partnerland mitbringt, so vielfältig und spannend geworden. Die Bandbreite reicht von einem Duo des Saxophonisten Ben van Gelder mit dem Gitarristen Reinier Baas über den indonesisch beeinflussten Jazz der Gruppe BOI AKIH oder die Gruppen der Saxophonistinnen Kika Sprangers – mit ihrem wunderbaren Large Ensemble – und Tineke Postma – mit einem von Opernmusik beeinflussten Programm – oder dem sehr wilden Trio „Raw Fish“ bis zu dem von nordafrikanischer Gnawa-Musik  geprägten Marmoucha Orchestra. Unser Galakonzert der Niederlande am Samstagabend ist noch ein gutes Beispiel: die holländische Trompeterin Maite Hontelé, die vor sieben Jahren für ihre damalige Wahlheimat Kolumbien ein Showcase bei der jazzahead! gespielt hat, leitet das nationale Jugendorchester der Niederlande mit einem nagelneuen „Mambo“-Programm – mit dem kubanischen Pianisten Ramón Valle und dem Flötisten Ronald Snijders aus Surinam als „Special Guests“.