An welches Bild, an welche Ausstellung in ihrer Kindheit haben sie noch intensive Erinnerungen, die sie für die Kunst gewonnen hat?
Ich habe besonders intensive Erinnerungen an zwei Museumserlebnisse. Anfang der 1990er Jahre war ich mit meiner Familie im Bayerischen Nationalmuseum in München in einer Ausstellung über Schuhe vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart und ich erinnere mich, dass ich sehr beeindruckt vor einer Vitrine stand, in der die Turnschuhe von Boris Becker präsentiert wurden. Mein Bruder und ich waren Tennis-Fans.
Das zweite Museumserlebnis meiner Kindheit, an das ich mich erinnere, ist ein geführter Besuch mit meiner Grundschulklasse. Wir waren in der kulturgeschichtlichen Abteilung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg (ich komme ursprünglich aus Franken): Dort wurde uns anhand einer historischen Kocheinrichtung und dem Topf über der ehemals offenen Feuerstelle und dem Kräuel (Metallaufhängung mit Zacken oder Zähnen) erklärt, woher die Redewendung „einen Zahn zulegen“ kommt – um die Hitze zu regulieren: Wenn ein Zahn zugelegt wurde, war der Kochtopf näher am Feuer und damit war auch das Essen schneller fertig.
Interessanterweise habe ich – entsprechend dieser offensichtlich prägenden Museumserlebnisse – zunächst Europäische Kulturgeschichte studiert.
Wie kamen Sie zur Kunst und zur Kunst als Beruf?
Obwohl ich aus einer Familie mit ausschließlich Naturwissenschaftler*innen komme, gab und gibt es eine große Begeisterung für Kunst und Kultur. Meine Eltern waren bzw. sind begeisterte Museumsgänger. Meine Mutter malt selbst (Aquarell und Acryl) und meine Patentante stellte lange Zeit Keramik mit besonderen Glasur- und Brenntechniken her. Bereits zu Schulzeiten hatte ich ein ausgeprägtes Interesse und eine gewisse Begabung für Sprachen und Kunst und so habe ich mein Abi auch mit Ethik, Französisch, Kunst und Mathematik bestritten. Die geisteswissenschaftlichen Fächer haben mich sehr fasziniert. Letzten Endes waren diese Abifächer dann auch diejenigen geisteswissenschaftlichen Fächer, die ich im Rahmen meines Bachelorstudiums wählte: Europäische Kulturgeschichte, Kunstgeschichte, Romanistik und Pädagogik.
Schon früh, bereits nach dem zweiten Semester machte ich ein Praktikum im Ferienprogramm des Museumspädagogischen Zentrums in München. Danach war klar, dass ich einmal in einem Museum arbeiten wollte und fortan arbeitete ich gezielt darauf hin. Auf den Bachelor folgte ein Masterstudium „Museum und Ausstellung“ in Oldenburg, danach die Promotion in Kunstgeschichte in München und am Ende der Ausbildung ein wissenschaftliches Volontariat in der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe. Flankiert wurde dieser Werdegang von vielen praktischen Erfahrungen im Rahmen von Studienpraktika, freiberuflichen Tätigkeiten und Projekten wie Stadtrundgängen und Museumsführungen. Meinen Karrierestart nach dem Volontariat hatte ich im Haus der Kunst. Dort war ich für den Besucherservice und die Vermittlung verantwortlich.
Alfred Lichtwark sagte zum Antritt als Kunsthallendirektor im Dezember 1886. „Wir wollen nicht ein Museum, das dasteht und wartet, sondern ein Institut, das tätig in die künstlerische Erziehung unserer Bevölkerung eingreift.“
Steht das auch heute noch, 135 Jahre später, für die Kulturelle Bildung in der Hamburger Kunsthalle.
Im Grunde genommen schon, aber 135 Jahre später würde ich es nicht mehr als „tätiges Eingreifen in die künstlerische Erziehung“ bezeichnen. In der Hamburger Kunsthalle möchten wir – ähnlich wie Lichtwark – nicht passiv auf Besucher*innen warten, sondern proaktiv auf sie zugehen und ein offenes Haus sein, in dem sich alle willkommen fühlen. Daher versuchen wir Anreize zu schaffen, damit sich die Besucher*innen – entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse und Interessen – auf verschiedenste Weise auf Kunst einlassen können, Inhaltliches durch unsere Angebote besser verstehen und insgesamt eine gute Zeit bei uns haben. Der Museumsbesuch zielt mehr auf Bereicherung als auf Belehrung. Es geht also weniger um Erziehung oder Museumspädagogik von oben als vielmehr um Kunstvermittlung und Begegnungen auf Augenhöhe.
Sie leiten ein mittleres „Unternehmen“, eine Art „Volkshochschule“ innerhalb der Hamburger Kunsthalle. Können Sie uns einen Überblick über die Größe, das Angebot und die Teilnehmer geben?
Die Abteilung Bildung & Vermittlung richtete in den Jahren vor der Covid-19 Pandemie zwischen 2015 und 2019 jährlich rund 2.000 Veranstaltungen bestehend aus Kursen, Führungen, Museumsgesprächen, Workshops sowie Sonderveranstaltungen aus. Damit erreichten wir rund 32.000 Teilnehmer*innen. Dabei handelt es sich um die sogenannte personelle Vermittlung, d.h., die Vermittlung mit Personen als Mittler*innen zwischen Kunst und Besucher*innen. Darüber hinaus bietet das Museum Formen der nicht-personellen, medialen Vermittlung an: So ist unsere Sammlung beispielsweise in großen Teilen digitalisiert (Sammlung Online | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)), es gibt beispielsweise zwei 360-Grad-Rundgänge (360 ° Rundgang | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de) und Making History | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)), einen Multimediaguide bzw. eine App mit Audiospuren, Reproduktionen, Videos und Animationen (App | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)), daneben wissenschaftliche Kataloge, Begleithefte (Begleithefte | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)) und Wandtexte. Damit erreichen wir alle Besucher*innen unabhängig von einer gebuchten Führung etc.
Diese Angebote haben wir insbesondere während der Zeit der Lockdowns ausgebaut, auch digitale Führungen, Workshops und Kurse angeboten (Digitale Führungen, Workshops und Gesprächsrunden | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)) und damit große Erfolge erzielt. Fast die Hälfte der Teilnehmer*innen kam aus anderen Bundesländern Deutschlands. Auch aus dem Ausland nahm ein interessiertes Publikum an unseren digitalen Formaten teil. Das stimmt uns zuversichtlich, auch in Zukunft weitere Publikumskreise mit unseren neuen und vielfältigen Formaten anzusprechen.
Darüber hinaus haben wir in der Hamburger Kunsthalle den »Spielraum für den Anfang der Kritik« (das sogenannte Hamburger Kinderzimmer) und das Transparente Museum. Im Hamburger Kinderzimmer kann man sich ebenfalls unabhängig von einer Führung mit einer speziellen Familienausstellung befassen, die in die Sammlung ausstrahlt und mit einer Wanderkarte durchs Museum bewegen sowie an einem Kunstwerk von Olafur Eliasson mitbauen (Hamburger Kinderzimmer: Das Hamburger Kinderzimmer | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)). Im Transparenten Museum kann man der Museumsarbeit hinter den Kulissen auf die Spur kommen (Transparentes Museum: Transparentes Museum | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)).
Wie und was verstehen Sie unter kultureller Bildung?
Unter kultureller Bildung verstehe ich die Befähigung, sowohl aktiv als auch passiv am kulturellen Leben teilzunehmen. Über die Betrachtung, den Austausch und vielleicht auch über die eigene künstlerische Praxis können wir nicht nur etwas über ein Kunstwerk erfahren, sondern wir erfahren auch etwas über die Idee dahinter und lernen die/den Künstler*in als Menschen einer bestimmten Zeit zu verstehen. Die Vermittlung von Kunst öffnet damit den Blick auch für Themen, die sich durch die Geschichte ziehen und immer noch aktuell sind: Wie nehme ich mich als Teil der heutigen Gesellschaft wahr? Welche Themen sind für die heutige Gesellschaft wichtig und wie gestalte ich diese Gesellschaft und meine Umwelt mit?
Kulturelle Bildung gehört genauso zur Allgemeinbildung wie beispielsweise politische Bildung. Allerdings sind die Grenzen fließend: So sind viele künstlerische Positionen politisch und damit wird auch die kulturelle Bildung politisch. Das interessiert mich auch besonders in meiner Arbeit.
Welche Qualifikationen, Voraussetzungen sind für eine Tätigkeit im Bereich Kulturelle Bildung notwendig
Um in der kulturellen Bildung zu arbeiten, ist eine künstlerische und/oder wissenschaftliche Ausbildung in den einschlägigen Fachbereichen wichtig. Allerdings zählt hier meiner Meinung nach nicht nur die theoretische Ausbildung, sondern insbesondere auch die praktische Erfahrung mit unterschiedlichen Zielgruppen, ihren Bedürfnissen und Interessen. Kinder müssen anders adressiert werden als Jugendliche und diese wiederum anders als Erwachsene oder Senior*innen. Innerhalb der Altersgruppen gibt es dann wieder Differenzierungen: Manche Erwachsene möchten als Eltern adressiert werden und interessieren sich für Familienführungen, andere möchten lieber zu einer Afterwork-Führung gehen und als Berufstätige dezidiert in ihrer Freizeit angesprochen werden. Die wichtigste Voraussetzung für eine Tätigkeit im Bereich Kulturelle Bildung ist meiner Ansicht nach, dass man sich besonders für Kultur und ihre Vermittlung begeistern kann und dass man engagiert und gerne mit Menschen zusammenarbeitet.
In unserem festen und freien Team von Kunstvermittler*innen arbeiten Künstler*innen, Kunstpädagog*innen, Kunsthistoriker*innen, Kulturwissenschaftler*innen, Kunstvermittler*innen etc. Die Mischung aus unterschiedlichen fachlichen Hintergründen macht die Qualität unserer Arbeit aus.
Welche Faktoren, Ansätze sind für sie in ihrer Arbeit, in der Planung das Bildungsangebot für die Hamburger Kunsthalle wichtig? Und wie beeinflusst das Ausstellungsprogramm die Formate und Angebote der Kulturellen Bildung?
Die Basis für unsere Tätigkeit und auch für die Sonderausstellungen ist unsere Sammlung. Durch sie kommen die Kurator*innen auf ihre Ausstellungsthemen und für diese wiederum (also für die ständige Sammlung und die Sonderausstellungen) entwickeln wir spezifische Vermittlungsprogramme. Dabei ist mir persönlich der Aktualitätsbezug wichtig. Es sollte idealerweise beantwortet werden, warum es sinnvoll und lohnend ist, sich mit diesem oder jenen historischen beziehungsweise aktuellem Kunstwerk auseinanderzusetzen. Was kann ich aus der Beschäftigung mit dieser oder jener künstlerischen Position für mich mitnehmen? Inwieweit erweitert es meinen Horizont oder meine Perspektive? Das ist nicht immer leicht, aber gerade darin besteht die Herausforderung!
Ist es der Mensch, der plant oder gibt ein Haus, eine Sammlung oder die geografische Verortung Themen und Arbeitsweisen vor? Sie haben u. a. in Museen in Karlsruhe und in München gearbeitet und jetzt in der Hamburger Kunsthalle.
Sowohl als auch. Ich denke, ein Mensch bringt immer seine individuelle Geschichte in die Arbeit mit und das ist auch gut so. Aber natürlich spielen auch die Stadt und das Museum mit seiner spezifischen Sammlungsgeschichte eine ausschlaggebende Rolle für die entstehenden Konzepte.
Welches der heutigen Formate hätten Sie sich in Ihrer Kindheit bereits als Teil eines musealen Betriebs gewünscht?
Ich glaube, mich hätte als Kind und Jugendliche der spielerische und humorvolle Aspekt vieler heutiger Vermittlungsformate sehr angesprochen wie z. B. bei Chatbots (ein textbasiertes Dialogsystem, mit dem man auf spielerische und mitunter witzige Weise in direkte Dialoge mit den Kunstwerken treten kann). Als ich Kind und Jugendliche war, gab es kaum etwas Altersgerechtes Nicht-Personelles wie beispielsweise ein Begleitheft oder einen Audioguide für Kinder/Jugendliche. Ich bedauere, dass ich Museen bei Einzelbesuchen vornehmlich als Orte kennengelernt habe, in denen man ernst, ruhig und andächtig sein sollte. Heute geht man größtenteils – so finde ich jedenfalls mit dem professionellen Blick von Innen – zunehmend lockerer damit um, auch wenn dies natürlich sehr von der jeweils zuständigen Personen abhängig ist.
Was passiert mit den Bildern und Werken, die in den Kursen entstehen? Wie werden sie sichtbar gemacht?
Wir arbeiten gerade daran, Ergebnisse künstlerischen Arbeitens in Zukunft auch online und/oder auf Screens im Museum zugänglich zu machen – mit der Erlaubnis der Urheber*innen versteht sich.
Sammelt die Hamburger Kunsthalle Werke aus den Kursen, und wenn Ja wie gehen Sie mit den rechtlichen Fragen (Bildrechte, Urheberrechte, Kinderrechte) um, oder sind es gerade diese, die die Hamburger Kunsthalle am Sammeln hindert?
Nein, Ergebnisse aus den Kursen sammeln wir nicht und zwar nicht, weil wir ihren Wert nicht schätzen, sondern weil wir die Kursteilnehmer*innen in der Wertschätzung ihrer Werke unterstützen möchten. Sie sollten stolz auf sie sein und sie am besten bei sich zu Hause aufbewahren oder noch besser aufhängen/aufstellen.
Vor über hundert Jahren hängte Alfred Lichtwark, der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, die großen Meister ins Magazin, um Kinderbilder aus aller Welt zu zeigen. Ist so eine Ausstellung im heutigen Museumsbetrieb, denkbar, machbar?
So etwas wäre denkbar und ich fände es toll – wenn wir nur genügend Platz hätten. Nach einer etwaigen baulichen Erweiterung der Hamburger Kunsthalle würde ich mich sehr dafür aussprechen und einsetzen. Da wir ohnehin nur einen Bruchteil unserer Sammlung zeigen können, haben unter diesen räumlich begrenzten Umständen die Werke aus der Sammlung Vorrang vor den jüngst Entstandenen im Rahmen von Vermittlungsformaten. Hier versuchen wir dorthin zu gehen, wo der Platz scheinbar unbegrenzt ist, ins Digitale.
In der Pandemie waren neue Wege und Formate zu entwickeln. Was waren und sind die Chancen, Herausforderungen und auch Grenzen der digitalen Möglichkeiten?
Die Chancen in der digitalen Vermittlung liegen in der Ortsunabhängigkeit, teilweise in der Zeitunabhängigkeit (wenn etwas nicht zu einer bestimmten Zeit stattfindet wie beispielweise ein aufgezeichnetes Format) und in der höheren Reichweite: Als man die Kunsthalle während der Lockdowns nicht besuchen konnte, erreichten wir Menschen auf anderen Kontinenten. Die Rückmeldungen waren erfreulicherweise sehr positiv. Das hat uns darin bestärkt, hier weiterzumachen: Entsprechend werden wir auch nach der Wiedereröffnung der Hamburger Kunsthalle, gelockerter Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 und/oder der Wiederaufnahme von Führungen mit digitaler Vermittlung weiter machen.
Die Herausforderung der digitalen Vermittlung besteht für mich darin, die Medienkompetenz bei Vermittler*innen und Teilnehmer*innen gleichermaßen zu trainieren und zu gewährleisten und darin, trotz der physischen Distanz, Diskussionen und aktive Teilhabe zu ermöglichen.
Die Grenzen des Digitalen sehe ich ganz klar darin, dass eine digitale Vermittlung die wirkliche Begegnung mit originalen Kunstwerken und Menschen nicht ersetzt, sondern vielmehr eine Ergänzung und /oder Alternative dazu darstellt. Gleichzeitig kann ich ein Kunstwerk bzw. die digitale Reproduktion desselben in hoher digitaler Auflösung mitunter besser im Detail erkunden als mit dem bloßen Auge. Es kommt also stark darauf an, was man sucht und genau dabei stellt das Digitale eine ungeahnte Erweiterung unserer Vermittlungsmöglichkeiten da. Unschlagbar ist meiner Meinung nach Beides: der Besuch vor Ort – falls möglich – und die Ergänzung vorher, nachher oder währenddessen durch digitale Vermittlung, wenn sie das Analoge sinnvoll erweitert.
Ist der weitweite digitale Besuch, die Verfügbarkeit von Audioguides als Download, Videos, Podcasts und Audiokurse von Museen Fluch oder Segen, und wie wird es die Besucherentwicklungen und Teilnehmerzahlen von Angeboten der Kulturellen Bildung zukünftig beeinflussen?
Ich persönlich sehe die Digitalisierung seit meinem Studium als Segen an. Digitale Vermittlung ersetzt oder verdrängt die analoge Begegnung mit Kunst schließlich nicht, sie ergänzt sie. Mit der Ergänzung durch das Digitale können Angebote noch individueller auf bestimmte Bedürfnisse zugeschnitten und damit erweitert werden. Zudem glaube ich, dass das Digitale manche Museumsbesuche erst befeuert, weil die Nutzer*innen sehen, was sie mitunter unbedingt im Original sehen wollen. Das Digitale kann wie eine Werbung wirken, kann aber auch zur Vor- und Nachbereitung dienen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und die Reichweite ist höher. Mit einem Audioguide beispielsweise erreiche ich orts- und zeitungebunden mit einem einzigen Medium viele verschiedene Zielgruppen, beispielsweise Kinder, Jugendliche und Erwachsene in mehreren Sprachen sowie mit besonderen Bedürfnissen (z. B. Blinde und Menschen mit Seheinschränkungen durch Audiodeskriptionen).
Kinder und Jugendliche sind, gerade auch während des Lockdowns, noch tiefer in die virtuellen Welten abgetaucht. Wie gelingt es Kinder da herauszuholen und wieder für das Museum, den physischen Besuch, die Kunst zu begeistern, langfristig an die Kunst und die Museen zu binden?
Wir haben bereits während des ersten Lockdowns im März 2020 sogenannte Hausbesuche entwickelt. Dazu zählten Vermittlungsmedien wie Arbeitsblätter für Lehrer*innen und Schüler*innen für den Fernunterricht beziehungsweise für zuhause. Diese Arbeitsblätter luden auf einer eigens eingerichteten Padlet-Seite sowie später auch auf der Internetseite der Hamburger Kunsthalle Lehrer*innen, Schüler*innen sowie Erwachsene, Jugendliche und Kinder zur Betrachtung und Anwendung künstlerischer Verfahren ein. (HAUSBESUCH! (padlet.com) und Arbeitsblätter | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)
Sie verwiesen stets auf Werke aus unserer Sammlung und wurden mit unserer Online-Sammlung verlinkt. Neben diesen beiden Formaten der nicht-personellen, digitalen Vermittlung wurde außerdem ein Instrument entwickelt, um Erzieher*innen von Kindertagesstätten und Vorschulen die Möglichkeit zu geben, ihren vergangenen oder zukünftigen Besuch in der Hamburger Kunsthalle gemeinsam mit den Kindern nach- beziehungsweise vorzubereiten: Mittels eines 70-teiligen Kartensets, in Form der sogenannten KiTa-Box (Hausbesuch! Kunst kommt in die KiTa und Vorschule), sollen anhand von pädagogischen und spielerischen Methoden Anregungen zu unseren analogen Vermittlungsformaten und Themen wie Farben, GesICHter, Formen und Muster gegeben werden.( Kita und Vorschule | Hamburger Kunsthalle (hamburger-kunsthalle.de)
Auf diese Weise wurden digitale Angebote für verschiedene Ziel- beziehungsweise Interessensgruppen und ihre Bedürfnisse geschaffen. Allen Formaten ist gemein, dass ihre Inhalte und Methoden über die Grenzen der (seinerzeit geschlossenen) Räume in der Hamburger Kunsthalle hinaus wirk(t)en. Außerdem können sie auch danach, unabhängig von einer Wiedereröffnung und vom Standort der Rezipient*in, nachhaltig genutzt, weiterentwickelt und individuell im jeweiligen Setting angepasst werden – etwa demjenigen einer KiTa-Gruppe. In Planung ist deswegen auch eine Erweiterung der oben vorgestellten Vermittlungsformate in Textform durch digitale Audio- und Videodateien. Zudem haben wir einige unserer analogen Führungen für Schulklassen ins Digitale überführt – ähnlich wie unsere öffentlichen, digitalen Führungen – mithilfe des Konferenzprogramms Zoom.
Wir versuchten damit, die Verbindung zu Kindern und Jugendlichen nie abreißen zu lassen. Sobald wir wieder mit analogen Vermittlungsformaten loslegen dürfen, sind wir bereit. Im Zukunft möchten wir hybrid agieren, also sowohl digital als auch analog.
Was kann man nie und nimmer digital erfassen, was den Museumsbesuch auch in 2050+ so einmalig, besonders und wichtig machen?
Die Aura des Originals und die physische Begegnung mit Menschen vor diesem Original. Man lernt dadurch nicht nur das Kunstwerk in seiner Größe und räumlichen Präsenz kennen und erfasst seine materielle Beschaffenheit wie beispielsweise die Malweise, sieht mitunter Pinselstriche, riecht bestimmte Düfte wie die Materialien, aus denen das Werk besteht (Holz, Farbe etc.), sondern lernt auch sich und seine Mitmenschen darüber kennen und schafft damit einmalige Erlebnisse, die als Erinnerungen bleiben und nachwirken – wie meine Museumsbesuche als Kind. Ich danke meinen Eltern und Lehrer*innen noch heute dafür!