atrik Schumacher © Matthew Joseph

INTERVIEW
mit Patrik Schumacher

Wie sehr fehlt Zaha Hadid?
Patrik Schumacher: Zuerst war da ein Schock und Gefühl der Leere, dann aber ein Motivationsschub: Wir müssen und wollen weitermachen. Zum einen sind da noch 20 Projekte, die wir mit Zaha entworfen und entwickelt hatten, zu vollenden, zum anderen konnten wir auch viele neue Klienten gewinnen, d.h., es geht weiter. Zaha ist sehr präsent. Zaha Hadid war eine starke Persönlichkeit, die uns mit ihrer Radikalität und Experimentierfreudigkeit immer herausgefordert hat. Dies versuchen wir zu reproduzieren.

Wie hat es Zaha Hadid über Jahre „ausgehalten“ mit der männli- chen Dominanz in der Architektur und als „Alibifrau“ unter den Besten?
Patrik Schumacher: Zaha Hadid war auf keinen Fall eine „Alibifrau“, was immer das heißen soll. Sie hat sich beruflich und kreativ niemals als Frau verstanden. „I am not a female architect, I am an architect.“ Die Bezeichnung als erfolgreichste Frau der Architektur hat sie immer geärgert. In den letzten 20 Jahren waren Vorurteile hier auch mehr Medienthema als Realität.

Sie waren langjähriger Mitarbeiter und Weggefährte von Zaha Hadid und haben nach ihrem Tod die Leitung von Zaha Hadid Architects, die DNA der Gründerin, wie es Rem Kohlhaas formuliert hat, übernommen. Wie ging und geht es Ihnen damit, einerseits das Erbe zu erhalten, die Linie fortzuführen und andererseits eine eigene Handschrift zu installieren?
Patrik Schumacher: Da wir gut organisiert waren und gut eingespielte Entwurfsprozesse hatten, konnten wir kontinuierlich und erfolgreich weiter- arbeiten. Organisation, Methoden, formales Repertoire und Ideenreservoire, das konstituiert unsere DNA. Dazu gehört auch eine fortlaufende Emphase auf Innovation. Wir haben deshalb auch eine Forschungsabteilung mit 15 Mitarbeitern.

Zaha Hadid Architects, Messner Mountain Museum © Hufton Crow

Irgendwann kommt der Punkt, an dem alle Projekte, in denen Zaha Hadid noch mitgewirkt hat, gebaut sind. Und dann? Business as usual? Oder planen Sie für sich und Ihre Mitarbeiter eine Art Abschluss, ein Ritual?
Patrik Schumacher: Kein Ritual, aber es wird Überraschungen geben, die aufzeigen werden, dass wir nicht auf „Business as usual“ setzen. 

2019 feiert das Bauhaus 100-jähriges Jubiläum, eine Künstler- bewegung, wie es sie heute nicht mehr gibt, nicht mehr denkbar wäre. Wie wird die Geschichte in 100 Jahren mit den Architekten von heute, mit Zaha Hadid, mit Ihnen umgehen?
Patrik Schumacher: Doch es gibt eine solche Bewegung auch heute: Die Bewegung des Parametrismus. Das Bauhaus ist eine einzigartige Inspiration für mich, weil es ein seltenes Beispiel für radikale Ideen darstellt, die auf globaler Ebene wirklich transformativ werden. Alles, was uns umgibt, von der Stadt bis zum Kugelschreiber, ist Bauhaus. Die Entwürfe des Bauhauses markieren eine radikale avantgardistische Abkehr von allen bisherigen Architekturen und Entwürfen, und doch erobern sie die Gesamtheit der gebauten Umwelt und der gesamten Artefaktwelt innerhalb der Lebenszeit der Bauhaus-Protagonisten. Das ist, bezogen auf unsere heutige Epoche, meine Ambition, die Ambition des Parametrismus und war auch Zaha Hadids Ambition. Das Bauhaus war ein Laboratorium, das seine Konzepte und künstlerischen Intuitionen rigoros durcharbeitete. Das Erfolgsgeheimnis liegt in der Kongenialität des gestalterischen Ansatzes mit den Potenzialen seiner historischen Epoche, die damit die Ära der demokratischen industriellen Massengesellschaft prägte und voranbrachte. Diese Errungenschaft war kein Zufall, sondern das Ergebnis eines mutigen und selbstbewussten ideologischen Programms, das auf einem klaren Verständnis der Herausforderungen und Möglichkeiten der Epoche basierte. Diese Epoche ist in- zwischen eine längst vergangene Ära und die Designdisziplinen stehen nun wieder vor radikal neuen Herausforderungen und Chancen, die uns wieder einmal zur totalen Umgestaltung der globalen gebauten Umwelt und der Welt der Artefakte führen sollen. Heute geht es darum, baulich die Dichte, Komplexität und Dynamik der digital hochgerüsteten Netzwerk- gesellschaft zu artikulieren, mit den Methoden einer digital hochgerüsteten Architekturdisziplin.

DAS GESPRÄCH F HRTE KAI GEIGER.

 


Beijing New Airport Terminal Building, Render by Methanoia © Zaha Hadid Architects


Zaha Hadid Architects, MAXXI: National Museum of XXI Century Arts Rome, Italy, © Hél ne Binet