alle Bilder außer gekennzeichnete © A-Trane Berlin

Berlin

International Jazz-Club
A-Trane
Berlins erste Jazzadresse 

Seit mehr als 20 Jahren komme ich Mitte März zur Internationalen Tourismus Börse nach Berlin. Im Vorfeld werden die Stadtzeitungen tip und ZITTY studiert, und das Kulturprogramm für die Abende mit Freunden sondiert und festgelegt. Dieses Jahr stand glücklicherweise ein CD Release Konzert mit Viktoria Tolstoi „Meet me at the Movies“ im A-Trane auf dem Programm. Obwohl ich seit Jahren nur einen Steinwurf entfernt in einem Appartement wohne, hatte ich es bisher nicht geschafft, zu einem Konzert in das A-Trane zu gehen. Wie konnte ich die Jahre nur so „verschleudern“! Im Vorfeld des Konzertes auf der Suche nach dem Jazzcafé, wo ich einen Tisch reserviert hatte, stand ich plötzlich bei Sedal Sardan im Büro, lernte ihn kennen, er zeigte mir den Weg und es wurde dank des wunderbaren Konzertes und der Begegnung mit DEM Menschen hinter dem A-Trane ein unvergesslicher Abend. Folgerichtig stand er mir stellvertretend für so viele, engagiert betriebene Jazzclubs und deren Macher in Deutschland und ganz Europa für ein Interview zur Verfügung. 

Im Herbst dieses Jahres wird das A-Trane ein viertel Jahrhundert alt. Unter Ihrer Leitung dann schon 20 Jahre. Wie kamen Sie zum Jazz, zum A-Trane?

Ja, dieses Jahr wird das A-Trane 25 Jahre alt. Mit mir sind es dann 20 Jahre. Zum Jazz kam ich per „Unfall”. Beim Spa-
ziergang eines Abends mit Freunden, ca. 1990, gingen wir ungewollt in einen Jazzclub in der Türkei. Ab dem Moment war ich dem Jazz verfallen. Diese Musik erweckte Liebe und Leidenschaft, die ich bis heute noch in mir trage.

Eine Bilanz? Würden Sie es wieder tun? Oder wären Sie lieber Basketball-Profi geworden, ein Sport, dem Sie bis
heute verbunden sind?

Ja, ich würde es wieder tun! Die einzigenbeiden Nachteile füreinen Jazzclubbetreiber sind: Lange Beziehungen oder eine Familie gründen, sind fast ausgeschlossen, weil die Arbeit ganz oben steht und die Verantwortung sehr groß ist. Längere Reisen sind ebenso ausgeschlossen. Basketball hätte ich gerne weitergespielt, denn mein jugendlicher Traum war einmal, Basketball-Vollprofi zu werden. Heute spiele ich bei ALBA in einem Seniorenteam. 

Sedal Serdan © Daniel Wetzel

Gab es Momente des Zweifelns, des Scheiterns in den letzten 20 Jahren?

Im ersten Jahr nach der Übernahme des A-Trane hatte ich ungefähr 5x mit dem Gedanken gespielt, den Club aufzugeben. Aber wenn ich zurückblicke, habe ich alles, was ich anfing, auch zum Laufen gebracht, weil ich immer schon einen unbändigen Willen besaß. Der Augenblick oder das Leben nach dem Scheitern ist nicht angenehm. Man hört dann nicht auf, sich selbst die Schuld zuzuweisen. Um diese Situation zu vermeiden, trieb mich der Gedanke weiterzumachen, weil ich das Unglücklichsein nie mochte. Ca. 2008 war ich wieder fast kurz davor aufzugeben. Diesmal war die GEMA der Aus- löser. Sie verlangten ganz plötzlich eine ungeheure Erhöhung ohne Vorwarnung und ohne Grund. Wir haben es eh sehr schwer, warum also noch mehr Belastung? Ich hätte dann ein vollkommen kommerzielles Programm machen müssen. Das passte mir nicht! Zum Glück lenkte die GEMA im letzten Augenblick noch ein und die inhaltlich wertvolle Musik durfte fortgesetzt werden, weil der Sinn wieder zurückkam. Bei dem Job als Clubbetreiber oder als Musiker ist die geistige Er- füllung dahinter extrem wichtig. Dabei zu sein beim Prozess der Entwicklung war wieder da. 

Warum der Ausflug zu einem zweiten, größeren Club, dem „Soultrane“ im Stilwerk, und was waren die Gründe, warum Sie das nach einem Jahr wieder aufgegeben haben?

SOULTRANE ist durch den Gedanken, das 10-jährige A-Trane Jubiläum im Stilwerk zu feiern, entstanden. Dort war dieser Laden zufällig zu der Zeit leer und die Verwaltung bot mir an, dort etwas zu machen. Das SOULTRANE als Jazz&Dining ist sehr gut angenommen worden. Es wurde innerhalb der ersten 6 Monate viel bekannter als das A-Trane in 10 Jahren und lief auch ganz gut. Ich hatte mich aber mit dieser zusätzlichen Arbeit einfach übernommen und das Resultat war ein Burn-Out. Der Rest ist Geschichte, was heute zählt, ist das A-Trane! 

Was zeichnet einen guten Jazzclub aus?

Ein guter Jazzclub besteht zunächst aus einem guten Team! Dann kommen die Serviceleistungen für die Gäste und auch für die Musiker. Um zu den ernst zu nehmenden Clubs zu gehören, musst du über einen gut gepflegten Flügel und ebenso über eine gut funktionierende und gut klingende Back Line verfügen. Du musst die Konzerte gut in den Fokus stellen. Während des Besuchs im Club muss die Musik ungestört gehört werden können, damit auch die Musiker sich gehört und gut fühlen. Die Tontechniker müssen dafür sorgen, sowohl den Musikern als auch den Gästen einen schönen Sound zu präsentieren. Das Personal muss vielfach im Jahr gebrieft werden, um einen fließenden Arbeitsablauf zu ge- währleisten, damit der Abend für die Gäste unvergesslich bleibt. Teamgeist muss geschaffen werden. Das habe ich aus dem Sport übernommen. Um ein einigermaßen gutes Programm zu erstellen, muss der Betreiber seine Ohren und Augen überall haben. Der Club sollte von Gästen und Musikern weiterempfohlen werden, was für mich das Hauptziel eines Jazzclubs sein muss. Das aber wiederum heißt ... immer an sich selbst arbeiten!

Wer besucht das A-Trane?

Die Besucher sind sehr gemischt. Sie kommen aus allen Teilen der Welt, ich würde sagen, dass wir eine 50/50-Situation haben: Touristen und Berliner. Die Jugend ist sehr stark vertreten, das freut mich am meisten! Sie kommen hauptsächlich an den Montagen, wo Andreas Schmidt bei freiem Eintritt seine Freunde zum Jammen einlädt. Aber auch die Late-Night-Jam-Session in der Nacht von Samstag zu Sonntag ab 00.00 Uhr ist sehr erfolgreich und bei jungen Musikern sehr beliebt! Nicht zu vergessen, die Hochschul-MusikstudentInnen, die ihre eigenen Werke im A-Trane-Konzert darbieten und damit ein vornehmlich junges Publikum ziehen. 

Wie hat sich der Jazz, die Jazzszene, Ihr Publi- kum in den letzten 20 Jahren verändert?

Jazz erlebt immer Schwankungen. Er durchläuft viele Phasen, verbunden mit Höhen und Tiefen. Jazz verändert sich. Er passt sich an. Jazz wird es immer geben. Es ist aber auch gut so, denn: Die Freiheit im Jazz ist in keiner anderen Musik so stark vertreten. Hier kann sich die Kunst ausleben. Der Hörer genießt die freie Art zu improvisieren und wird eingebunden. Die internationale Jazzszene ist zurzeit insgesamt etwas ruhiger geworden, weil sie nicht mehr so oft auf Tournee geht, da sich das Ganze am Ende oft nicht rechnet. Aber die Berliner Jazzszene ist nach wie vor sehr lebendig. Das Publikum ist immer noch sehr an Livemusik interessiert, wie eh und je.

Wie ist der Stellenwert von Jazz in Berlin?

Die Stadt Berlin hat sich ganz weit nach vorne katapultiert, wenn es um die Jazzmetropolen dieser Welt geht. Viele Musiker sind bereits schon nach Berlin gezogen, und es werden von Jahr zu Jahr immer mehr. Das ist doch schon ein gutes Zeichen! In Berlin entsteht hoffentlich bald mit Till Brönner als Initiator ein HOUSE OF JAZZ, in der Idee an- gelehnt an das Lincoln Center in New York. Das wird die Stadt als Jazzmetropole mit Sicherheit noch mehr beleben. 

Wie wichtig sind Ihnen Preise und wie wichtig sind Sie für das A-Trane?

Im April 2011 wurde das A-Trane mit dem Live Entertainment Award (LEA) in der Kategorie „bester Jazzclub Deutschlands“ ausgezeichnet. 2013 überreichte der Kulturstaatsminister Bernd Neumann dem Club den Spielstättenprogrammpreis 2013, der in diesem Jahr erstmals für das „kulturell besonders hochwertige Live-Musikprogramm im Jahr 2012“ vergeben wurde. Und im April 2013 wurde ich selbst mit dem Deutschen Musikpreis „ECHO“ in der Kategorie Jazz als Förderer des Jazz ausgezeichnet. Mir sind Preise eigentlich nicht so wichtig, aber ich weiß sie trotzdem sehr zu schätzen, weil sie einen noch mehr motivieren weiterzumachen. Ich mache meinen Job so gut wie es nur geht und wenn dann dabei aus der Mühe ein Preis entspringt, dann freut es einen.

Wie, nach welchen Kriterien, stellen Sie Ihr Programm zusammen?

Zu dieser Frage kann ich keine geeignete Antwort nden. Vielleicht kann ich dies sagen: Ich achte auf die Ernsthaftigkeit der Projekte und dass sie eine Leidenschaft und Freude ausstrahlen, wenn sie dargeboten werden. Ein Monatsprogramm sollte vielfältig sein, darauf achte ich.

ACT Music und ECM Records sind regelmäßig mit CD Releases bei Ihnen zu Gast. Wie wichtig ist der Kontakt zu Labels, ohne in den Verruf zu kommen, nach deren Vorgabe zu veranstalten?

Ich arbeite gerne mit allen Labels! Wenn ich öfter Konzerte habe, die zufällig mit Künstlern dieser beiden Labels sind, spricht es für die Labels. Ich arbeite z. B. auch sehr gerne mit dem Berliner Label TRAUMTON von Stef Marcus zusammen, die eine hervorragende Arbeit macht. Der Kontakt zu den Labels ist mir sehr wichtig, weil ich ihre Arbeit sehr schätze. Ihnen allen haben wir zu verdanken, dass wir die Musik überall hin mitnehmen können. Deswegen sollten die Menschen die Arbeit der Labels unterstützen, indem sie die Alben der Musiker käuflich erwerben. 

Was waren Ihre persönlichen Konzerthighlights in den letzten 20 Jahren?

Das größte Konzerthighlight war definitiv das Konzert mit dem Trio des verstorbenen Pianisten John Taylor, mit Marc Johnson am Bass und Joey Baron am Schlagzeug. Es war extrem magisch. Wir waren alle wie erstarrt wegen der Schönheit der Musik und wie sie interpretiert wurde. Natürlich zählen auch die Konzerte von Till Brönner zu den Highlights. Der Auftritt von Herbie Hancock war musikalisch kein Highlight, aber spektakulär! Es gab wirklich viele, viele Highlights. Es wäre unfair, einige Konzerte zu nennen, wenn ich dabei andere vergäße.

Die fünf wichtigsten A-Trane Künstler, mit denen Sie und das A-Trane eng verbunden sind?

Diese Frage ist echt nicht fair. In so einem Club, mit dem man alt geworden ist, hat man viel mehr Künstler, die einem wichtig sind, als nur fünf. Die fünf wichtigsten Musiker, die mit mir und dem A-Trane eng verbunden sind, bitte nicht in Reihenfolge verstehen, sind: Ernst Bier, Till Brönner, Wolfgang Haffner, Nils Landgren und Christian v. Kaphengst.

Ein Blick nach vorne? Was sind Ihre Pläne? Gibt es eine Wunschliste mit Künstlern, die Sie im A-Trane noch auf die Bühne bringen wollen?

Den Blick nach vorne habe ich immer. Ich hasse es, wenn Stillstand herrscht. Nicht stehenbleiben und nicht stagnieren ist mein Motto. Ideen sind da, nur die Zeit ist manchmal noch nicht gekommen, um sie auszusprechen. Ich würde zum Beispiel sehr gerne die Konzertreihe „A-Trane Jazz Report“ wieder zurück ins Leben rufen. Ich hätte auch noch gerne Steve Gadd auf meiner Bühne gesehen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE KAI GEIGER.