Lorenzo Dolce (links) und John Steinmark (rechts) | Foto: © Stephen Suckale

Wir sprachen mit dem ersten Vorsitzenden, Lorenzo Dolce, und John Steinmark, der für Öffentlichkeitsarbeit und Internationales Booking zuständig ist.


Wie und mit welchem persönlichen Background entstand die Idee zu Jazz Montez?

Lorenzo Dolce: Jazz Montez entstand aus der Idee, an einem besonderen, auf den ersten Blick nicht unbedingt für Livemusik ausgelegten Ort Jazz-Konzerte zu organisieren. Das erste Mal, als wir das Brückengewölbe des Kunstvereins Familie Montez betreten haben, war klar: Hier wollen wir was machen!

Was ist Ihr Antrieb, Idee und Vision für und mit Jazz Montez?

John Steinmark: Wir wollen einzigartige Erlebnisse für die Musikfans aus Frankfurt und darüber hinaus ermöglichen und dabei jungen und aufstrebenden Musiker:innen eine Plattform bieten, ihre Kunst vor einem interessierten und offenen Publikum vorzustellen. Dadurch wollen wir Frankfurt zu einem wichtigen Standpunkt für progressive und qualitativ hochwertige Musik jenseits des Mainstreams und des musikalischen Establishments entwickeln.

Was sind Ihre programmatischen Schwerpunkte?

Lorenzo Dolce: In erster Linie buchen wir Bands, die uns gefallen und die einen gewissen Bezug zur Tradition des Jazz haben. Dabei lassen wir uns nicht von althergebrachten, scheinbaren Genre-Grenzen aufhalten. Rapper finden bei uns genauso eine Plattform wie Afrobeat-Künstler:innen oder eine Techno-DJ. Die Hauptsache ist, dass die Musiker:innen neue Wege gehen und uns mit ihrer Kunst emotional berühren.

Für die Sie im letzten Jahr den APPLAUS Hauptpreis für die „Beste Konzertreihe“  erhalten haben. Wie wichtig ist diese Auszeichnung für Ihre Arbeit?

John Steinmark: Der APPLAUS-Preis als „Beste Konzertreihe“ ist eine schöne Auszeichnung, die uns anfeuert, weiterzumachen. Praktisch hilft uns das Preisgeld, die Kosten unserer Programmarbeit zu decken. Darüber hinaus beschert uns der Preis eine hohe Aufmerksamkeit, die es uns erleichtert, potenzielle Partner und Förderer anzusprechen. Dafür sind wir sehr dankbar.

Der Name Jazz Montez ist auch ein Ort und eine Partnerschaft. Was verbirgt sich dahinter?

Lorenzo Dolce: Im Kunstverein Familie Montez fanden die ersten Konzerte unter dem Namen „Jazz Montez“ statt und es ist immer noch die Location, in der über das Jahr verteilt die meisten Konzerte stattfinden. Mit Mirek, Daniel und dem gesamten Team haben wir gemeinsam schon viel erlebt, und uns verbindet mittlerweile eine tiefe Freundschaft und gegenseitige Anerkennung. Jedes Mal, wenn wir die Hallen unter der Honsellbrücke betreten, sind wir aufs Neue inspiriert. Und auch von den Künstler:innen, die wir dorthin einladen, hören wir immer wieder, wie sehr sie der einzigartige Spirit der Räumlichkeiten beflügelt.

Das ist nicht der einzige Ort, den Sie mit Ihrer Kreativität bespielen?

John Steinmark: Das stimmt. In den letzten Jahren haben wir auch Konzerte im ATELIERFRANKFURT, im und rund um das Museum Angewandte Kunst (EL BARRIO in Kooperation mit AMP und Emma Metzler) und in einigen weiteren Locations in Frankfurt organisiert. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Orten und veranstalten am 1. April mit dem Konzert der türkischen Sängerin Gaye Su Akyol zum ersten Mal etwas im Internationalen Theater Frankfurt.

Viel war nicht möglich in der Pandemie. Viele Veranstalter und Locations sind in dieser Zeit in die Knie gezwungen worden. Wie haben Sie das Überleben geschafft und ist Ihnen und der Veranstalterbranche in dieser Zeit genügend geholfen worden?

Lorenzo Dolce: Zu Beginn der Corona-Einschränkungen mussten wir uns selbst helfen und haben aus dem Stand einige digitale Formate entwickelt, die die neuartige Situation reflektierten. So entstand zum Beispiel die Reihe „Gute Nacht“, in der Lorenzo an menschenleer gewordenen Orten Jazz-Standards auf seinem Saxofon interpretiert hat (zu sehen auf YouTube). Ab 2021 hat „Neustart Kultur“ viele Veranstalter und auch uns stark unterstützt. Das hat die Erfolge von Holidays und El Barrio in den letzten zwei Jahren möglich gemacht.

Was sind die größten Herausforderungen für Sie und die Veranstalterbranche in den nächsten Jahren?

John Steinmark: Nach dem Auslaufen von „Neustart Kultur“ sind wir auf der Suche nach Alternativen, um die Open-Air-Konzertreihe in gewohnter Manier fortsetzen zu können. Ohne staatliche oder sonstige finanzielle Unterstützung wird es nicht möglich sein, ein solch qualitativ hochwertiges Musikprogramm niedrigschwellig für alle Menschen anzubieten. Holidays und El Barrio haben gezeigt, dass das Interesse des Publikums für aufregende Musik jenseits des Mainstreams groß ist. Leider scheint die Entwicklung an vielen Stellen in die andere Richtung zu gehen. Wenn man sich die Ticketpreise für Konzerte im Waldstadion, in der Festhalle oder der Alten Oper anschaut, scheint Livemusik immer mehr zu einem Hobby zu werden, das sich nur noch ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung leisten kann. Wir appellieren an dieser Stelle an alle, statt einem großen Konzert lieber viele kleine zu besuchen und dabei insbesondere jungen und lokalen Künstler:innen zuzuhören!

Welche Ideen von Lorenzo Dolce und John Steinmark sind noch nicht realisiert?

Lorenzo Dolce: Seit Jahren denken wir darüber nach, eine eigene Musikschule zu gründen, sind damit aber noch nicht wirklich weit gekommen. Zunächst braucht unser Label „Jazz Montez Records“ noch viel Aufmerksamkeit, damit es sich als eine innovative Plattform für junge und aufstrebende Jazz-beeinflusste Musik etabliert.

In Anspielung auf die Aussage „Irgendwann hatte ich die Stadt satt“ einer OB-Kandidatin für Frankfurt haben Sie jetzt die Chance für eine „Ode“ an die Kultur- und Musikstadt Frankfurt und warum Sie die Stadt und Frankfurt noch lange nicht satthaben?

John Steinmark: Frankfurt satt zu haben, würde bedeuten, keine Chance zu sehen, in der Stadt etwas zu bewegen oder zu verändern. Wir erfahren im Gegenteil, dass sich gerade sehr viel entwickelt. Jedes Jahr entstehen neue Partnerschaften und Konzepte und wir merken, dass die Stadtbevölkerung große Lust darauf hat, neuartige kulturelle Erfahrungen zu machen. Wenn wir alle an einem Strang ziehen und die etablierten Kulturinstitutionen sich noch offener für neue und junge Formate und Künstler:innen zeigen, kann Frankfurt innerhalb von ein paar Jahren zu einem echten kulturellen Hotspot mit internationaler Strahlkraft werden.