Plakat Museum Ulm Außen © Kai Geiger

Protest! gestalten Von Otl Aicher bis heute
12.11.2022 – 16.4.2023

Wie sieht Protest aus? Wie macht Widerstand auf sich aufmerksam? Wie lassen sich Missstände und Missbrauch, Verbrechen und Vergehen anprangern und bekämpfen? Welche Slogans, Zeichen und Gesten gab und gibt es für die brennenden Themen unserer Welt?

Zum 100. Geburtstag von Otl Aicher (1922-1991), einem der einflussreichsten Kommunikationsdesigner des 20. Jahrhunderts, hat das Museum Ulm eine Ausstellung realisiert, welche die Gestaltung von Widerstand und Protest in der internationalen Gegenwartskultur zum Thema macht.

Noma Bar Burka Ban The Guardian, 2006 ©-by the artist scaled

Protest und ziviler Ungehorsam waren starke Charakterzüge des politischen Menschen Otl Aicher. Bereits als Jugendlicher entwickelte er eine widerständige Haltung, zunächst gegen die Vereinnahmung durch das nationalsozialistische Unrechtsregime, welches nicht davor zurückschreckte, visuelle Gestaltung als Mittel zur Manipulation einzusetzen. Er blieb Aufmärschen fern, verweigerte den Beitritt zur Hitler-Jugend, trug keine Parteiabzeichen und unterlief jegliche Maßnahmen der ideologischen Gleichschaltung.

Frank Shapared Fairey Revolution In Our Time, 2022. Siebdruck auf Karton ©by the Artist

Später entfaltete sich seine Opposition zu einem lebenslangen öffentlichen Bekenntnis. Noch als 62-jähriger blockierte er gemeinsam mit seiner Frau Inge Aicher-Scholl, mit Walter Jens, Heinrich Böll, Dorothee Sölle, Heinrich Albertz, Erhard Eppler, Günter Grass und vielen anderen Gleichgesinnten aus der Kulturszene in Mutlangen die Zufahrt zum Sonderwaffenlager, um gegen die Stationierung der Pershing II-Raketen zu demonstrieren.

Otl Aichers politischer Widerspruchsgeist war prägend für sein gestalterisches Werk. Schon in den 1960er-Jahren entwarf er Plakate und Ansteckblumen aus Papier für die Ostermärsche. 1983 ließ er Figuren, die an seine Piktogramme erinnern, auf ein Textilband drucken, um es im Pershing II-Protest auf der Schwäbischen Alb den an der Menschenkette Teilnehmenden in die Hand zu geben. Und in Erinnerung an die Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ schuf Otl Aicher ein viel zitiertes Logo.

Blick in den Ausstellung, Foto © Kai Geiger

Wie aber sieht Protest heute aus? Lebt Widerstand nur von der unendlichen medialen Schleife, die die immer gleichen Köpfe zeigt? Finden sich neue Symbole für gegenwärtige Themen? Oder anders gefragt: Wie sieht das key visual der Fridays for Future- oder Black- Life-Matters-Bewegungen aus? Gibt es unverwechselbare Symbole, die vergleichbar mit Pablo Picassos Taube für die internationale Friedensbewegung zum interkulturellen und global verständlichen Zeichen geworden sind? Ist das künstlerisch gestaltete Plakate, das seine Wirkung vor allem im öffentlichen Raum entfaltet und das im 20. Jahrhundert zum bevorzugten Instrument für Produktwerbung und politische Propaganda wurde, heute noch das Medium der Zeit?

Oliviero Toscani, Herbst/Winter 1991-92, Offsetdruck ©VG-Bild-Kunst, Bonn 2022

Die Ausstellung präsentiert internationale Künstler*innen und Grafiker*innen, die in Malerei, Zeichnung, Bildmontagen, Plakat- und Flugblattkampagnen, Leuchtreklamen, Anzeigentafeln, Billboards, Videos und Animationen sich mit Slogans, Symbolen, Gesten und Signalen von Widerstand, Aufklärung und Protest befassen, zu den Themen Umwelt, Frieden, Demokratie, Konsum, Gesundheit, Menschenrechte, Gleichberechtigung und Diversität.

Foto © Kai Geiger

Als Ergänzung sind Beiträge aus einem Online-Aufruf zu sehen: Über die Plattform nextmuseum.io sind Aktivist*innen aufgefordert worden, ihre Leitgedanken und Motive der Empörung, des Widerspruchs und der Opposition in einfallsreichen Formulierungen und Visualisierungen für die Produktion von Merchandise-Artikeln einzureichen. Ganz aktuelle, an der Basis entstandene Botschaften erhalten hier ein Forum.

Blick in die Ausstellung, Foto © Kai Geiger
Guerillia Girls, Do women have to be naked to get into the met Museum, 1989 Flugblatt-signiert scaled
Blick in die Ausstellung, Foto © Kai Geiger
Tine Melzer, Proteststein, 2018 Fotografie © by the artist scaled
tl Aicher, Nein Volksversammlung 1983 © Florian Aicher, HfG-Archiv Museum-Ulm scaled
Jeremy Deller The battle of Orgreave An Injury to One is an Injury to All, 2022 Video Foto © Martin Jenkison, VG-Bild-Kunst Bonn, 2022 scaled
Lubo Lukava, Peace and Planet, 2015 Serigrafie © by the artist scaled
Blick in die Ausstellung: Das Museum Ulm lud begleitend zum Ausstellungsprojekt mit einem Open Call auf der digitalen Community Plattform nextmuseum.io zum Einreichen von Protestinhalten ein. Künstler*innen, kreative Überzeugte und Aktivist*innen waren au
Raumtexte in Form von Protesttafeln, Foto © Kai Geiger